Ket­schen mit Simon

Simon Jentzsch könnte auch Wrestler sein. Die schrank­hafte Statur, die vor Pomade strot­zende Frisur, die Sun­nyboy-Atti­tüde – der Augs­burger Keeper ver­kör­pert die Ideale eines echten WWE-Cham­pions. Im Tag Team mit Daniel van Buyten sicher unbe­siegbar, wenn beim Ket­schen nicht eh‘ alles abge­ka­tert wäre.

So wirkte der Rou­ti­nier auch nach dem 1:0 in Ros­tock, als hätte er soeben den Gürtel des Inter­con­ti­nental Cham­pions oder einen ver­gleich­baren Titel errungen: Ein Hand­tuch über die Schulter geworfen, Kau­gummi kauend und mit einem dicken Grinsen auf den Backen fla­nierte Jentzsch nach dem Abpfiff übers Spiel­feld der DKB-Arena, es fehlte nur noch der Zahn­sto­cher zwi­schen den Kau­leisten. Diese Zufrie­den­heit ist durchaus ange­bracht. Denn der 33-Jäh­rige – letzte Saison noch in Wolfs­burg aus­ge­bootet und ohne Profi-Ein­satz – steht längst wieder voll im Saft. Gelang in den ersten 14 Begeg­nungen der aktu­ellen Spiel­zeit kein ein­ziges Zu-Null, blieb die Linie des Halb-Eng­län­ders Jentzsch in der Folge fünfmal, zuletzt dreimal am Stück, unpas­siert. 

Zuge­geben: Die Ros­to­cker Offen­sive – bei Hansa traf zuletzt am 13. Spieltag gegen Karls­ruhe ein Stürmer – nötigte dem Augs­burger Hünen auch keine Glanz­mo­mente ab. Doch wenn es drauf ankam, wie zum Bei­spiel nach zehn Minuten blank gegen Kai Bülow, war der gebür­tige Düs­sel­dorfer zur Stelle, sodass Nando Rafaels Ein­schuss zum erneuten Dreier für den FCA reichte. 

Eis­kalt wie ein Januar-Morgen

In Jentzsch‘ Hei­mat­stadt indes hätten sie lieber einen Patzer der Fug­ger­städter gesehen. Denn die For­tuna will vorbei an Augs­burg, um sich in der Auf­stiegs­zone ein­zu­nisten. Und da gehört der Tra­di­ti­ons­klub mit Leis­tungen wie beim 4:0 über Ahlen auch hin. Eis­kalt wie ein Januar-Morgen prä­sen­tierten sich die Düs­sel­dorfer und brachten in der ersten Stunde des Spiels fast alles, was sie vor die Füße bekamen, im Netz hinter dem zuletzt unbe­zwing­baren Sascha Kirsch­stein unter. Dieser pol­terte nach der Pleite bei Sky gegen einige seiner rot-weißen Mit­spieler, die es mit der Dis­zi­plin offenbar nicht so eng sehen und zu spät zu Trai­ning und Mann­schafts­be­spre­chung erscheinen. »Wir müssen das alles kon­se­quenter durch­ziehen. Für einige von uns geht es hier um den Job – wer will schon einen vom Tabellen-Acht­zehnten haben?« 

Gute Frage. Die Düs­sel­dorfer wohl eher nicht, denn die bedienen sich lieber in eli­tä­reren Kreisen. So ist in der NRW-Haupt­stadt eine Art »Little Bremen« ent­standen, wo der­zeit aus­ge­las­sene Par­ty­stim­mung herrscht: Der früher selbst bei Werder kickende Coach Nor­bert Meier (242 Spiele) hat sich mit Martin Harnik und Torsten Oehrl zwei Bremer Leih­gaben ins Nest geholt, die es gegen Schluss­licht Ahlen kra­chen ließen: Oehrl don­nerte selbst nach einer Paolo-Sergio-Gedächtnis-Mit­nahme sehens­wert zum 2:0 ein und legte kurz nach der Pause maß­genau das 3:0 für seinen öster­rei­chi­schen Sturm­partner Harnik (11. Sai­sontor) auf. Zumin­dest Oehrl dürfte also nach seinem ersehnten Pre­mie­rentor für For­tuna noch die ganze Nacht im Sta­dion einen drauf gemacht haben – er wohnt zur­zeit in einem Zimmer des »Tulip Inn«, dem Hotel im Herzen der Düs­sel­dorfer Arena. 

Im Clinch mit dem Gefolge

In Bie­le­feld wollte garan­tiert keiner der gepei­nigten DSC-Mata­dore frei­willig in der Arena näch­tigen. Wütend hatten ihre Anhänger sie und ihren Trainer Thomas Gerstner nach dem 1:2 im Ver­folger-Ver­gleich mit Duis­burg aus dem Sta­dion gepfiffen. Aus­ge­rechnet Arne Feick, noch ohne Tor für Bie­le­feld, bug­sierte das Runde nach 79 Minuten zum End­stand ins eigene Eckige. Im Clinch mit dem eigenen Gefolge, zeigten die Arminen und ihr Coach aller­dings Ver­ständnis für die akus­ti­schen Atta­cken. »Ich kann den Unmut der Fans ver­stehen. Wir müssen in den nächsten elf Spielen von der ersten Sekunde an voll da sein«, for­derte Gerstner auf der Pres­se­kon­fe­renz nach dem Spiel. Höchste Zeit wird’s, denn der aktu­elle fünfte Platz ist Armi­nias Tabellen-Tiefst­stand seit dem 5. Spieltag. 

Pekka schubst den Schiri

Über Jam­mern auf diesem Niveau können sie beim FSV Frank­furt nur prus­tend lachen. Nach dem hart erkämpften wie ver­dienten 2:1 gegen den KSC kra­xelte das Team vom Main auf den Ret­tung ver­hei­ßenden Rele­ga­ti­ons­platz 16. Es ist nach dem 1. und 17. Spieltag das erste Mal, dass der FSV nicht auf einem direkten Qua­li­platz für Liga 3 steht. Dabei musste die Truppe von Hans-Jürgen Boysen vor der Beju­be­lung des Dreiers einige per­so­nelle Nacken­schläge weg­ste­cken: Beim Auf­wärmen ver­letzte sich der wich­tige Kapitän Sead Mehic, sein Ver­treter Pekka Lager­blom musste nach 41 Minuten mit Faser­riss raus. Dabei hatte der Ex-Schwager von Chan­teuse Sarah Connor kurz zuvor für eine der spek­ta­ku­lärsten Szenen der Begeg­nung gesorgt, als er sich im engen Zwei­kampf­ge­wühl – wohl ver­wirrt – dafür ent­schied, Schiri Schöß­ling umzu­schubsen, statt Gegen­spieler Mat­thias Zim­mer­mann zu bremsen. 

Die Aktion bleib aber unge­ahndet. Und im Gegen­satz zu Lager­blom konnte der gestürzte Spiel­leiter wei­ter­ma­chen, schickte noch den offenbar zu vor­lauten KSC-Coach Schupp auf die Tri­büne und zeigte zwei Minuten zum dritten Mal gen Mit­tel­punkt. Der starke FSV-Spiel­ma­cher Jürgen Gja­sula, ver­gan­gene Saison noch mit dem FC Basel in der Cham­pions League unter­wegs, hatte seine Dar­bie­tung just mit dem 2:1‑Siegtor gekrönt. Der neu­er­liche Erfolg für die Hessen unter den Augen ihres Ex-Ex-Ex-Ex-Ex-Coa­ches Dra­go­slav Ste­pa­novic (1985−87) ver­leiht erstmal neue Luft zum Atmen. Die Spieler scheinen es also ganz mit dem Credo ihre aktu­ellen Übungs­lei­ters Boysen zu halten, wel­ches dieser unlängst ver­kündet hatte. Nicht ganz so klang­voll wie Stepis »Lebbe geht weider«, aber ähn­lich anmutig: »Isch lass‘ misch net frei­wil­lisch zur Schlacht­bank führe!«

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