»Hace frío en Munich«, sagt der Mann in sein Mikrofon, es trägt einen Sti­cker des argen­ti­ni­schen Fern­se­hens. Ja, es ist kalt in Mün­chen. Tem­pe­ra­turen knapp über null, daheim in Buenos Aires klingt der Hoch­sommer gerade aus, aber Argen­ti­nien ist weit weg. Diego Mara­dona ist es auch für den Mann vom Fern­sehen, er muss seine Kamera durch eine Lücke im Zaun des Trai­nings­platzes zwängen. Mara­dona legt Wert auf Abstand. Ein paar Meter weiter rum­pelt die Stra­ßen­bahn über die Grün­walder Straße. 

Es ist eine selt­same Atmo­sphäre beim ein­zigen öffent­li­chen Trai­ning der argen­ti­ni­schen Fuß­ball­na­tio­nal­mann­schaft vor dem Spiel am Mitt­woch gegen Deutsch­land. Diego Mara­dona hat den Zeit­plan immer wieder umge­worfen, bis nur noch ein später Termin auf der Anlage des TSV 1860 frei war. Der Platz wird nur auf einer Seite vom Flut­licht beleuchtet, am Zaun drängen sich die Kie­bitze und foto­gra­fieren einen kleinen dicken Mann in wat­tierter Trai­nings­jacke und hell­blauem Mütz­chen. Das Foto von einem zigar­re­rau­chenden Mara­dona findet sich am nächsten Morgen auf den Titel­seiten aller Münchner Blätter. »Ist schon unge­wöhn­lich«, sagt Michael Bal­lack. Sein Trainer, der beken­nende Rau­cher Joa­chim Löw, zeigte am Fol­getag eine Cohiba auf seiner Pres­se­kon­fe­renz und dachte schon mal laut dar­über nach, »ob ich nicht Trainer in Argen­ti­nien werden sollte, nach Menotti als Ket­ten­rau­cher und Mara­dona, der sogar auf dem Platz raucht«. 

Am späten Sonntag sind die Argen­ti­nier im deut­schen Winter gelandet, stür­misch begrüßt von Xyn­thia. Beim Anflug auf dem Frank­furter Flug­hafen erfreuten sich die flüs­sig­keits­festen Papier­tüten großer Beliebt­heit. Diego Mara­dona sagt, die Lan­dung sei schlimmer gewesen als jenes vor­ent­schei­dende WM-Qua­li­fi­ka­ti­ons­spiel, in dem die Peruaner weit in der Nach­spiel­zeit den Aus­gleich schafften und Martin Palermo doch noch das Siegtor schoss, ohne das Argen­ti­nien wohl nicht zur WM gefahren wäre. Martin Palermo ist so etwas wie der ewige Toll­patsch des argen­ti­ni­schen Fuß­balls. Einer, der mal drei Elf­meter in einem Spiel ver­schoss, der beim Anlauf zum Elf­meter stürzte und beim Tor­jubel eine Mauer zum Ein­sturz brachte, Bein­bruch inklu­sive. Er war fast 36, als Mara­dona ihn für die Natio­nal­mann­schaft reak­ti­vierte. Dass so einer Argen­ti­nien retten musste, sagt einiges über die Qua­lität des Fuß­balls, den die Sel­ección zur­zeit spielt. 

»Hast g’sehn, wie der den Ball mit­nimmt, so ein kleiner Scheißer«

Die Reise nach Mün­chen hat Palermo nicht ange­treten, er ist müde und muss für Mara­donas Hei­mat­klub Boca Juniors in der Meis­ter­schaft spielen. Seinen Platz im WM-Auf­gebot aber hat er spä­tes­tens seit Peru sicher. Für ein paar andere wird es nicht rei­chen, sagt Mara­dona, und wie leid ihm das tue, »denn das sind alles gute Jungs«. Auf dem Trai­nings­platz legt er den Arm um Lionel Messi, er nennt ihn »meinen neuen Mara­dona«. Messi ver­zückt die Zaun­gäste an der Grün­walder Straße, was so schwer nicht ist, denn sie schauen sonst den Zweit­li­ga­profis von 1860 zu. »Hast g’sehn, wie der den Ball mit­nimmt, so ein kleiner Scheißer, 300 Mil­lionen Euro schwer, der spielt wie der erste Mann der Welt.« 

Mara­dona bläst ein paar Mal in die Pfeife. Beim Trai­nings­spiel ist er ständig unter­wegs, im Radius von gut zehn Metern, sein schwer­fäl­liger Lauf­stil erin­nert an einen Gaucho, der gerade vom Pferd gestiegen ist. Der Mann vom argen­ti­ni­schen Fern­sehen wird live nach Buenos Aires geschaltet und erzählt etwas von der Revanche für 2006, als die Deut­schen den WM-Favo­riten aus dem Tur­nier gekickt hatten. 

Mara­dona hält das für ziem­li­chen Blöd­sinn und lässt das auch alle wissen, als er spät am Abend noch Hof hält im Team­hotel. Er ist eine Stunde später als ange­kün­digt erschienen, »tut mir leid, aber ich musste noch duschen«. Er ist gut gelaunt, obwohl die argen­ti­ni­schen Reporter nicht gerade seine Freunde sind. »Wenn es nach denen geht, werden wir bei der WM Letzter«, sagt Mara­dona, »aber das Volk glaubt an uns.« Und was die Revanche für 2006 betrifft: »Das inter­es­siert mich nicht. Ich will, dass Argen­ti­nien neue Helden bekommt.« 

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